Mittwoch, 23. Dezember 2015

Motiv + Wirkung ( 69 )

tin jeans hintern Mies Vandenbergh Fotografie
Mies-Vandenbergh-Fotografie
Alles, was mit dem menschlichen Auge zu sehen ist, könnten wir -rein theoretisch- auch fotografieren.

Warum wir es tun könnten, ist eine Frage, die ich gerne anderswo interpretieren und bearbeiten möchte. Warum wir es nicht tun, ist auch eine interessante Frage. Dass wir es nicht tun oder zeigen, ist eine Tatsache. Die Auswahl unseres vornehmlich fotografierten Motives ist eng mit der gesellschaftlichen Verknüpfung verbunden, in der wir (fest-) stecken.
   Hier in Deutschland ist es beispielsweise nicht ohne weiteres möglich, so interessante Streetfotografien wie von Bruce Gilden oder Sao Paulo Streetphotography zu veröffentlichen, da das Thema rechtlich einerseits sehr eng, andererseits aber zutiefst schwammig geregelt ist! Da liegt es scheinbar näher, sich nur mit rechtlich einwandfreien Motiven auseinander zu setzen. Auch darunter finden wir natürlich viele spannende Motive. Interessant ist z.B. die Tierfotografie, wie es beispielsweise Jörg David in fantastischer Weise immer wieder beweist.
   So viele Menschen es gibt, so viele Vorlieben für's Fotografieren und mehr noch für's Ansehen der Bilder gibt es. Und genau da liegt der Kern der Einzelbetrachtung. Im Sehenwollen und tatsächlichen Hinsehen durch die Betrachter findet sich eine versteckte Motivation. Die erste Frage dabei soll die nach dem Grund der Fotografie sein: Fotografieren wir, um uns selbst an den Bildern zu erfreuen oder fotografieren wir, um die Bilder zu präsentieren, um auch andere zu begeistern und zu faszinieren?
   Das ist insofern relevant, als dass sich daran die Frage anschließt, was wir mit einer Präsentation der Ergebnisse erreichen wollen. Dazu jedoch gleich mehr. Fotografieren wir nur für uns selbst, und vielleicht einen kleinen Kreis der Familie und Freunde, so liegt die Sache ziemlich einfach. Die Resultate müssen (nur uns) gefallen. Wir sind die einzigen Kritiker. Wir wachsen aus unserem eigenen Anspruch an die Bilder. Oder eben nicht. Das nicht notwendige Feedback anderer verhilft uns zu keinen anderen Ergebnissen, wir fotografieren ausschließlich privat.
   Gänzlich anders sieht die Sache bei der Idee aus, seine Fotografien auszustellen. Spätestens hier wird die Frage nach dem Motiv absolut relevant. Um es auf die Spitze zu treiben, stelle ich folgende Überlegungen an: Was sollte einen Besucher meiner Ausstellung im Filmsaal der Schule, in der Galerie oder einem Ausstellungsraum, wie auch in den vielen möglichen Portalen im Internet dazu verleiten, in Aktion zu treten, um meine Bilder anzusehen? Einige Klicks sind einfach, aber eine Räumlichkeit aufzusuchen bedeutet schon einen größeren Aufwand. Mit den "falschen" Motiven wird sich mein Erfolg in jeder Hinsicht in engen Grenzen halten. Ob ein Besucher wieder mal auf meiner Homepage oder meinem Fotoblog vorbeischauen wird, ist direkt abhängig vom Motiv und seiner Perspektive. Die Qualität der Fotografien kann noch so gut sein, wenn nicht das Motiv etwas Beliebtes darstellt oder die Darstellung eine durchweg außergewöhnliche Betrachtungsweise definiert, zeigt es sich erst, ob jemand eine Autofahrt in Kauf nimmt, um (m)eine Ausstellung zu besuchen.
   Ich gehe hier grundsätzlich mal davon aus, dass die technischen Belange der Fotoaufnahmen vorzeigbar sind.
   Immer wieder stellt sich die Frage nach dem Motiv! Dazu kommt die Verbindung mit dem Sinn und Zweck der Aufnahmen. Jedem Fotografen bietet sich zu jedem Beginn, auf's Neue, wenn er oder sie nicht an einer Reihe arbeitet, eine Chance auf Bilder eines anderen Genres. Innerhalb dieses Genres findet sich wiederum eine große Anzahl differenzierter Motive. Welche Überlegungen dabei für mich vorrangig zu beachten sind, das möchte ich skizzieren. Nähme ich ein allseits beliebtes Thema, so wäre mir zwar die Zuneigung und Aufmerksamkeit meiner Besucher zumindest dann gewiss, wenn ich in der Lage bin, Bekanntes fotografisch neu oder spannend ( neu gilt als spannend) zu definieren. Es existieren sonst nämlich schon viele bis unendlich viele ähnliche Fotografien. Lichte ich seltenere Motive ab, so findet mich vielleicht kaum einer, aber ich könnte exklusive Aufnahmen fertigen. Nur für wen? Wer würde danach suchen? Wer sich in die Ausstellung verlaufen?
   Zum Glück ist durch die immens große Themenauswahl unserer Kreativität keine (kaum eine) Grenze gesetzt. Zu Beginn habe ich auf unsere gesellschaftlichen Zwänge angespielt, die uns beständig zur Konformität führen wollen. Dazwischen finden wir aber auch einige Überschreitungen, wenn wir nur frei genug im Geiste und emotional reif dafür sind.
   Um es zu vergleichen, möchte ich die Frage stellen, welche Fotoaufnahmen für den Leser interessanter wären: die Nahaufnahme zarter Adern eines Rosenblattes in durchscheinendem Lichte oder die Nahaufnahme berg-und talartiger Furchen eines abgeschnittenen Zehennagels in durchscheinendem Lichte.
Noch Fragen? ;-)
   Ich vermute mal, dass sich die Rosenblätter deutlich höherer Besucherzahlen erfreuen würden. Man kann diese beiden Themen um viele weitere ergänzen. In Jörg Davids oben erwähnten, hervorragendem Tierfotografie-Blog hat er mir unlängst bestätigt, dass die Besucherfrequenz während seines Intermezzos von der Vogel-Fotografie in die Amphibien- und Reptilien-Fotografie nicht unerheblich abnahm, obwohl die Qualität der Aufnahmen auf gewohnt höchstem Niveau lag. Vermutlich stellen die Vögel ein deutlich populäreres Motiv dar und die Menschen begeistern sich viel mehr für die vermeintlich „schöneren“ Vögel!
   Die Frage dabei bleibt jedoch, ob ich etwas möglichst populäres und beliebtes publizieren möchte, oder einem Thema Ausdruck geben will, dem ich - in irgend einer Weise - verbunden bin. Möchte ich in einem beliebten Thema fotografieren und dort in außergewöhnlichen Bahnen Perspektiven und Besonderheiten finden und ausstellen, oder mich einem ungewohnten oder gesellschaftlich nur heimlich beliebtem Thema widmen? Das entscheidet jeder für sich selbst. Der Erfolg einer Publikation hängt meiner Ansicht nach direkt vom gelebten, zugegebenen ehrlichen Interesse der möglichen Betrachter ab. (Vergleiche Privatfernsehen gegenüber arte ;-) , wo halten wir uns auf?)
   Ich meine, die Entscheidung für oder gegen ein Motiv sollte immer auch mit der eigenen Passion verbunden sein, denn was man mag, macht man im allgemeinen besser. Ich meine, letztlich führt nur dieser Weg zur eigenen Verwirklichung und zum Erfolg.
Und wie immer: Do it! Again and again. KLICK!

2 Kommentare:

  1. Hi Herr Vandenbergh,
    interessante Gedanken, die sie da zum Motiv haben. Wenn ich die Wahl hätte würde ich den Zehennagel als größere Herausforderung annehmen :-) Rosenblätter gibt es viele aber Zehennägel auch! Eine entsprechende Zählung wäre mal ein gutes Thema für eine Doktorarbeit... auf meinem blog greife ich Bemerkenswertes aus dem Alltag auf, ungeachtet dessen, was der Mehrzahl gefallen könnte (Katzen, Blumen, Girls, Autos etc ..). Daher, danke für den Artikel und ein Hoch auf die Passion, ohne welche sowieso irgendwann alles belanglos wird.
    VG lejeanbaba

    AntwortenLöschen
  2. Vielen lieben Dank für Ihren Kommentar, und ja, hoch lebe die Vielfalt (und lasst die Katzen bellen) ;-)

    Jeder sollte den Mut besitzen das zu fotografieren, was ihm am Herzen liegt. LG

    AntwortenLöschen

Wie im richtigen Leben - immer höflich und freundlich bleiben