Das Tabu
Heikle und gewagte Themen wie der Hintern sind in der öffentlichen
Öffentlichkeit, im täglichen Geschehen, im wiederkehrenden Alltag tabu. Seit
unserer Erziehung, die in unserer Kindheit auf uns hernieder ging, wissen wir,
dass der Hintern "baba" ist
So, wie natürlich das, was hinten raus kommt, noch mehr "pfui"
ist. Jeden Tag werden wir daran erinnert, dass wir etwas "verbotenes"
tun. Wir fassen uns an den Po. Mehrmals täglich waschen wir uns, gehen zur
Toilette, kratzen uns vielleicht hin und wieder an einer Backe und rutschen
beim sitzen von einer Backe auf die andere.
In unserer Gesellschaft ist der Hintern mit allen negativen
Bezeichnungen und Beschimpfungen belegt, die wir uns ausdenken konnten. Jeder
von uns kennt und benutzt sie. Schon mein Blogtitel könnte man als gewagt
ansehen. DER HINTERN! Gibt es dafür nicht noch andere, weniger verfängliche
Ausdrücke? Schon wenn ich mich unterhalte und sage dabei, ich habe mich auf
meinen Hintern gesetzt, so kann ich in den Augen der Umstehenden einen kleinen
Schimmer von Argwohn und Pikiertheit feststellen. Ihre Blicke kann ich deuten
mit der Aussage: "Warum sagt er nicht lediglich, er habe sich
hingesetzt."
Verabscheuungswürdige Seite des Menschen. HINTEN. Wer etwas hinten herum
versucht, der ist falsch. Hinterhältig ist verschlagen.
Warum ist es so? Ist es nicht so, dass der Hintern NICHT das Problem
ist? Oder der Popo? Ist es nicht unser Gehirn, unser Verstand, unser Geist und
das Gewissen, das erst daraus macht, was "ES" sagt, was "ES"
uns befiehlt, vorgibt, einredet?
Was machen wir denn aus uns? Was dürfen wir uns erlauben? Was trauen wir
uns zu sagen, was "lieber" nicht. Was wäre denn, wenn wir sagten, was
wir empfinden? Bin ich jetzt schon wieder bei den Konzessionen, welche unser
Dasein gestattet? Was macht mein Gewissen aus dem Wort "Hintern"? Und
Deines? Was macht uns aus, ein Volk von Heimlichtuern in Sachen "Verbotene
Dinge"?
Wir alle wissen davon, doch sagen tun wir es nicht. Lieber nur hinsehen,
wenn Sie/Er sich herumdreht! Sieht ja keiner! Aber sprechen wir jemals darüber?
" Ein Frauenhaar zieht mehr als 20 Ochsen!", das soll mein Großvater
gesagt haben. Ob es von ihm stammt weiß ich nicht, ist auch nicht wichtig. Ich
denke, dass es wahr ist und ein schöner Hintern ist verdammt reizvoll, oder?
Aber zugeben mögen wir es nicht. Das gehört sich nicht! Sagt die Gesellschaft!
Im Übrigen genau die Gesellschaft, die laut einer Suchmaschine abermillionen
Einträge zum Thema Hintern produziert. Ganz abgesehen von der Häufigkeit der
Suchanfragen in allen Sprachen.
Was empfindet der Einzelne bei der Wahrnehmung des Wortes Popo? Jeder
von uns assoziiert damit ein anderes Bild, aber sind wir uns alle - oder fast
alle - einig darüber, dass wir ja nichts dazu sagen möchten? Oder etwas zeigen
möchten? Zeigen? Aber halt! Mit dem Zeigen der Empfindungen und Gedanken über
den Hintern sieht es gänzlich anders aus, als beim Vorzeigen desselben. Was
gibt es für schicke Hosen, für knappe Shorts, für enge Leggins, die den Hintern
so hervorheben, wie kaum ein anderes Körperteil.
In einer Kolumne für die Zeitschrift Spiegel schreibt Manfred Dworschak:
"Hat man je einen Hintern
gesehen, den züchtig ein Feigenblatt bedeckte? Niemals. Im Gegenteil: Die
Kunstgeschichte ist voll von nackigen Apfelbäckchen und kolossalen
Prachtgesäßen, die dem Betrachter ungeniert entgegenblinken. Maler wie
Bildhauer übertrafen einander an Dreistigkeit, und selten sparten sie am Speck.
Wie anders dagegen das
Schamdreieck, der anerkannte Hort der Brisanz: stets peinlich verschleiert oder
weggedreht. Die betörendsten Hinterbacken aber werden offen dargetan, als wäre
da weiter nichts dabei. Ist das nicht verdächtig?"
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-29725619.html
Nicht zu knapp kann schon mal der Rock sein, sodass schon ein Stück weit
die Pobacken zu erahnen sind. Für mich als Mann wirken diese Bilder auch genau
so, wie sie beabsichtigt sind. Reizender Anblick? Hübsch anzusehen? Ich finde
es in der Tat schön anzusehen. Ich sehe mich auch gerne danach um. So, wie mir
auch hin und wieder schöne Männerpos
auffallen.
Einst erzählte ich meinem Freund von meiner wahrlich einschlägigen
Verwechslung, die mir mit ihm selbst
unterlief: Ich fuhr mit dem Rad nach Hause, und auf einer langen Gerade durch
die Kleingärten sah ich einen Menschen mit langen Haaren und einer tollen,
hochgewachsenen Figur. Ich dachte bei mir, welch nette Erscheinung und auch
sexy. Schon damals mochte ich lange Haare. Langsam näher kommend auf meinem
Fahrrad kamen mir die Bewegungen zunehmend bekannt vor. Als die Person dann um
die letzte Ecke bog und sich meinen Blicken entzog, dachte ich noch
"Schade!". Als ich dann ebenfalls um diese Ecke bog, überfuhr ich
fast meinen Freund. Ich war so überrascht, dass ich ihm erst zwei Stunden später
von meinem netten, visuellen Erlebnis berichtete. Als Dank zog er mich bei der
ein oder anderen Gelegenheit, bei der ich lange, schöne Haare von weitem bewunderte, damit auf.
Wie aber geht das zusammen, das Tabu auf der einen Seite und diese
betonende Mode auf der anderen Seite? In unserem Gewissen dürfte da eine
Diskrepanz entstanden sein. Diese zu beschreiben erscheint mir als ein
interessantes Unterfangen. Dabei steht für mich zuvorderst die Frage, ob es in
den Augen der Menschen überhaupt einen Widerspruch gibt. Wie sehen sie den
Hintern als Körperteil und modisch betontes Objekt in diesem Zusammenhang?
Sehen sie diese modische Verzierung des Hintern überhaupt losgelöst vom
gesamten Körperbild? Style ich mich da und dort oder nur gesamt? Was denken und
empfinden sie bei der Bekleidung des Hinterns mit einem hautengen
Kleidungsstück oder wie es oben heißt, mir einem knappen Stück Stoff, das gerne
immer mal wieder zurecht gezupft werden muß.