Sonntag, 28. Oktober 2012

15. Moralia


Moralia

Unsere Wertevorstellungen, insoweit es denn unsere reflektierten sind, wurden uns seit frühester Kindheit aufoktroyiert. Da war Tante Else und Onkel Karl, Oma Metternich und Opa Karl, unsere Eltern, die uns sagten, was richtig, was falsch war. Tue dies nicht, tue das nicht, mache es so und nicht anders. Solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst,…! Danach kamen die Kindergärtnerinnen dazu, wechselten zu den Lehrern, wobei zu dem Zeitpunkt der Oberstufe schon Hopfen und Malz verloren zu sein schien. Auch das persönliche Umfeld aus Mitschülern, Freunden und Freundinnen prägte uns, und vermittelte uns ein Bild des Lebens, von dem wir annehmen mussten, das es sich so gehörte.
Die Moral war da, eine Institution in unseren Köpfen, gehegt und gepflegt durch die Normen der Gesellschaft, die uns am liebsten mit der Unterstützung der Kirche zu funktionierenden Menschen formen wollten.
   Doch irgendwann war es soweit! Wir konnten lesen. Denken und fragen konnten wir schon immer. Aber das Lesen kam erst etwas später. Entscheidend war aber der Zeitpunkt, der uns hinleitete über das zu entscheiden, was wir lesen! Für mich und meinen Freundeskreis sollte es damals in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren der Durchbruch sein. Wir stellten in nächtelangen Gesprächen bei schier endlosen Kannen Tee die Frage nach Sinn und Unsinn des Daseins, palaverten über Werte und Moralia, tauschten uns aus über Menschen und Gefühle. Nach Literatur verschriener Werke und dem Lauschen renitenter Barden sollten wir Vieles in Frage stellen! Nicht alles haben wir über die Planke gehen lassen. Doch vieles wurde neu geordnet. Schon diese Gedanken und Erlebnisse würden ein Buch füllen, jedoch hier möchte ich in Anlehnung an mein eigentliches Thema einiges vermerken.
   Ich habe mir damals vieles von unseren Gedanken aufgeschrieben, diese Aufzeichnungen habe ich noch heute. Eine Kernaussage ist die Infragestellung der Moral, die da beginnt mit der Einleitung :"Man tut das nicht…". Sicher war uns bewusst, dass die Menschen in einer Gemeinschaft leben. Daher sind Übereinkünfte unabdingbar. Doch die Anzahl, sowie die Art und Weise der "Doktrin" sind in unseren Augen mindestens überzogen. Keiner  von uns stellt sich außerhalb der Gesellschaft auf, identifizieren wir uns doch über die Wechselbeziehungen zum Mitmenschen. Ein Blick über den europäischen Tellerrand bestätigt schon die Divergenz der Moral in den Gesellschaften.
(Wenn nicht schon die auseinanderdriftenden Vorstellungen von Moral zum Nachbarhaus eklatant sein können.)
   Angepasst sein, mit dem Strom schwimmen, sich wie ein Fähnchen im Wind drehen sind Verhaltensweisen, die die wenigsten Menschen bestätigen möchten. Jeder wähnt sich anders. Ich halte mich auch für nicht konform, mein Verhalten für stets angepasst. Die entscheidende Art und Weise finde ich nur in der Stärke der Auslegung. Wer mag sagen, wo die Grenzen sind, was noch vertretbar ist oder zu weit(für wen) geht? Um mich richtig zu verstehen, ich halte hier kein Plädoyer zur Niederschlagung aller Normen, ich ermuntere nur jeden seine eigene Moral, sein Erwachsenen-Ich zu überdenken, denn auch wenn sich herausstellt, die Werte der Gesellschaft stimmen in weiten Teilen mit meinen überarbeiteten Ideen überein, so habe ich durch diesen Prozess ein Stück weit Charakterentwicklung betrieben. 
   Was ich ausdrücken möchte ist die Aufforderung zur Wahrhaftigkeit, auch dann, wenn einige Reparaturen oder Restaurierungsmaßnahmen vonnöten sind. Auf einem gesunden Fundament kann ein authentischer Mensch entstehen. Und Freunde und Freundinnen können dabei helfen und natürlich partizipieren.

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